- Fliegenwurfschule -

  Das Formen der (engen) Schlaufe


(Achtung: Ein klein wenig Physik ist hier durchaus integriert.)

 

Über kaum ein Thema beim Fliegenwerfen ist soviel geschrieben und diskutiert worden, wie über das Formen von Schnurschlaufen. Insbesondere dem Formen von engen Schlaufen haben sich bereits sehr viele Autoren gewidmet. Dabei sind zumeist zwei fundamentale Zusammenhänge beschrieben worden:

1. "Die Schnur folgt stets dem Beschleunigungsweg der Rutenspitze" (wie ich selbst ebenfalls oft zu sagen pflege) und

2. "Beschleunigt man die Rutenspitze auf einer geraden Linie, so resultiert die gewünschte ENGE Schlaufe."
Stichwort: Straight Line Path, kurz SLP.

Lassen Sie mich kurz anmerken: Beides sind gute theoretische Ideale, die uns helfen, den Fliegenwurf besser verstehen und steuern zu können. Aus Sicht der Physik sind diese beiden Zusammenhänge dennoch nicht gänzlich haltbar, denn:

1. Es folgt immer nur ein Teil der Schnur vorübergehend dem Beschleunigungsweg der Rutenspitze und

2. Kein Werfer dieser Welt schafft es, seine Rutenspitze tatsächlich auf einer geraden Linie zu beschleunigen. Ein sehr guter Werfer kommt diesem Beschleunigungsweg allenfalls sehr nahe!

Jene zwei Regeln helfen uns dennoch sehr gut dabei, die gewünschte Schlaufenform zu erzielen.
Darüber hinaus benötigen wir stets eine angemessene (zur Schnurlänge und Situation passende) Schnurgeschwindigkeit.
Um hier mehr Licht in die oft graue Theorie des Fliegenwerfens zu bringen, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf das werfen, was hinsichtlich der (beinahe) geraden Beschleunigungslinie für die Rutenspitze und dem Erzeugen der passenden Schnurgeschwindigkeit tatsächlich im Wurfablauf passiert.

Zum Wurfablauf:
Im Optimalfall nutzt man zwei Arten von Beschleunigung, um die Fliegenrutenspitze möglichst dicht entlang einer geraden Linie zu beschleunigen, nämlich a) Translation (Ziehen der Rutenhand) & b) Rotation (Kippen der Rute).

Dies bedeutet, man startet die Beschleunigung für den jeweiligen Wurf durch Ziehen der Rutenhand (und somit der Rute) in Wurfrichtung, ohne dabei die Uhrposition (Winkelstellung der Rute) merkbar zu verändern. Erst mit einer gewissen Verzögerung kippt man nun die Rute (Veränderung der Uhrposition) - rotiert diese also.
Je mehr man das Kippen der Rute noch verzögert, umso dichter führt man die Rutenspitze in der Regel entlang der geraden Line!
Einige Wurflehrer sprechen hierbei von einem "verzögerten Rotieren" (Kippen) der Rute. Ich selbst hingegen spreche lieber von der "Rotation zum richtigen Zeitpunkt".

Bezüglich der erzielten Geschwindigkeit im Fliegenwurf läßt sich folgendes sagen: "Rotation macht die Geschwindigkeit."
Insgesamt nutzt man die Rute beim Wurfprozess als einen "flexiblen Hebel".
Zunächst beschleunigt man (und lädt somit) die Rute, bevor man sie wieder abbremst, wodurch sich die Rute wieder entlädt bzw. wieder gerade stellt. Beim Entladen (sich gerade stellen) entstehen noch einmal zusätzliche ca. 20% Geschwindigkeit für die Rutenspitze, während im Moment der maximalen Aufladung bereits ca. 80% der Gesamtgeschwindigkeit für die Rutenspitze (hauptsächlich durch die Rotation) erzeugt sind.
Die althergebrachte Vorstellung, man würde die Rute spannen, und durch das Entspannen würde die meiste Geschwindigkeit erzeugt werden, stimmt also keineswegs!
Genau deshalb läßt sich die Fliegenrute auch erheblich besser zutreffend als ein "flexibler Hebel" und eben nicht als eine Feder beschreiben.

Beim Betrachten vieler Slow Motion Videos wird einem schnell klar, wie weit entfernt man von dem theoretischen Ideal "Straight Line Path" tatsächlich ist. Ebenso erkennt man schnell, dass die Fliegenschnur nur grob betrachtet dem Weg der Rutenspitze folgt.
Die Erdanziehung sorgt ab einer gewissen Schnurlänge außerhalb der Rute sogar dafür, dass wir mit der Fliege den Boden bzw. das Wasser touchieren.
Jene eingangs erwähnte Regel gibt uns also eine gute Hilfestellung, ist aber kein unumstößliches Prinzip.
Zur Entstehung der Schlaufe sehen Sie bitte zusätzlich die nachfolgende Skizze.



Die Entstehung der Schlaufe im Hinblick auf den Beschleunigungs- & Anhalteweg der Rutenspitze:

Weiterhin ist ein sehr entscheidenes Kriterium für die Entstehung der jeweiligen Größe der Schlaufe in (bis heute nahezu) sämtlichen veröffentlichten Analysen und Beschreibungen übersehen worden:
Bei Verwendung eines durchschnittlichen Arbeitswinkels zwischen ca. 10 & 14Uhr oder kleiner wird die Größe (Weite) der Schlaufe zu ca. 80% !!! durch den Weg der Rutenspitze während des Überschwingens geformt!
Der Beschleunigungsweg der Rutenspitze bis zur wieder gerade gestellten Rute (auf welchen sich die "Straight Line Path"- Regel bezieht) hat also nur ca. 20% Einfluß auf die Größe der Schlaufe. *
Es gilt: Je mehr Biegung man erzeugt, desto stärker  wird die Rute überschwingen.
Genau deshalb ist es mit der steiferen Rute erheblich einfacher, enge Schlaufen zu werfen.




Halten wir also fest:
Weniger Biegung = weniger Überschwingen = engere Schlaufe.
Insgesamt unterscheidet man innerhalb einer Schnurschlaufe zwischen Ober- & Unterschnur und der Schlaufenfront (oder Schlaufenspitze).
Jener eingangs genannten Regel folgend, kann man am Schlaufenbild einiges über die vom Werfer ausgeführte Wurfbewegung ablesen.
Ein erfahrener Wurflehrer kann anhand eines Schlaufenbildes durchaus wertvolle Tipps bezüglich möglicher Verbesserungen der Wurfbewegung herleiten. Natürlich muß man hier bedenken, dass ein einzelnes Bild immer nur eine Momentaufnahme ist...

Sehen Sie hierzu das unten folgende Bild.
Die Schlaufenanalyse im Überblick:





Einerseits ist wenig Biegung der Rute während des Wurfes also nützlich für besonders wenig Überschwingen der Rute im Prozeß des Stoppens.
Und andererseits hilft uns ein gesundes Maß an Rutenbiegung (Ladung) zusätzlich bei der Erzeugung von Schnurgeschwindigkeit, beim Führen der Rutenspitze möglichst dicht entlang der geraden Linie, und sie erlaubt die Verwendung eines etwas größeren Arbeitswinkels, um die passende Geschwindigkeit zu erzeugen. Es gilt wie meistens, alle Abhängigkeiten - der Situation angepasst - möglichst optimal miteinander in Einklang zu bringen. Unterm Strich markieren folgende Größen DIE Eckpfeiler der engen Schlaufe:

1. Eine Gleichmäßige/sanfte und zur Schnurlänge + Situation passend starke Beschleunigung (frei von plötzlichen Druckpunkten).

2. Rotation zum richtigen Zeitpunkt.

3. Ein abrupter Stopp.

4. Abstimmung von Arbeitswinkel und erzeugter Rutenbiegung aufeinander.

All dies hat das Führen der Rutenspitze entlang einer möglichst geraden Linie (während des Beschleunigens und während des Abbremsens) zum Ziel.

5. Das Überschwingen der Rute im Stopp sollte möglichst gering gehalten werden (das Lockern der Griffhaltung hilft hier z.B.).

Eine tolle Schlaufe wünscht Ihnen und Euch,
Ihr und Euer Bernd Ziesche


* Je mehr man den Arbeitsinkel öffnet (wie z.B. bei dem sogenannten 170° Wurfstil oder dem in Italien sehr bekannten TLT Wurfstil), umso größer wird der Einfluß des Weges der Rutenspitze während der Beschleunigung im Vergleich zum Überschwingen der Rute während des Stoppens dieser.

Mein besonderer Dank gilt hier allen "Sexyloopern" (www.Sexyloops.com) wie z.B. Gordon Judd, Dr. Grunde Lövoll, Aitor Coteron und Paul Arden, die beim Entschlüsseln dieser Zusammenhänge stets ihren Finger mit am Puls der Zeit haben!

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